only perception

Ich bin in dem Café vorne an der Ecke, wo ich öfter mal bin und habe Lust auf eine Unterhaltung. Er hat gesagt, er möchte nicht mehr mit Ich anfangen aber ich frage mich, wo sollte man sonst beginnen als bei sich? „Hey – warte mal!“ – „Ja?“ – „Oh gut – ich hatte die Befürchtung, du siehst mich gar nicht.“ – „Und?“ – „Naja – das wäre schade gewesen. I want to see you. I want you to see me.“ – „—“ – „Das ist ein Zitat…aus einem Film.“ – „Klingt irgendwie kitschig.“ – „Kennst du Sartre?“ – „Ein wenig…fand ihn nicht so…“ – „Ja…ich auch nicht, aber es gibt da eine Stelle, da fragt sich der Protagonist, was ein Abenteuer ist und er kommt dann zu dem Schluss, dass der Mensch immer ein Geschichtenerzähler ist – es gibt nur zwei Modi: leben oder erzählen. Und wenn man lebt, dann passiert nichts – Die Szenerie wechselt, Leute kommen und gehen, das ist alles. Es gibt nie Anfänge. Ein Tag folgt dem anderen, ohne Sinn, ein unaufhörliches, eintöniges Aneinanderreihen. Wenn man aber erzählt, ändert sich die Richtung des Erlebens – plötzlich hat das Erlebte ein Ziel. Also frage ich mich, ist das wirklich kitschig? Ist es nicht so, dass wir uns unbedingt verstehen wollen?“ – „Wahrscheinlich schon.“ – „Heute morgen bin ich mit einem Film aufgewacht – mit einem Film im Kopf – oder vielleicht war es mein Traum – in jedem Fall bin ich mit Bildern aufgewacht, ganz plastischen Bildern. Bildern von Dingen, die ich nie erlebt habe – Bilder von einem Mann, Anfang dreißig, kurze Haare, der aufwacht, zuhause, aufsteht – die Vorhänge aufzieht. Eigentlich waren es meine Bewegungen. Direkt vor dem Schlafzimmer ist ein Stativ aufgebaut und eine Kamera – er steht davor, sein Blick geht kurz aus dem Fenster dahinter – dann macht er ein Bild von sich selbst. Er sitzt mit einer Schüssel Müsli vor dem Computer – zwei Bildschirme und eine Stimme aus dem Off liest, was er liest. Irgendetwas verärgert ihn. Eigentlich sind das meine Bewegungen – aber in einem unbekannten Raum an einem unbekannten Mann. Ich kenne dich nicht. Du bist Vorstellung. Ich kann dich mir vorstellen – ich kann das, was mir an dir gefällt, dieses sensitive Moment, in mir ganz hervorrufen und deine Person damit ausfüllen. Ich kann sagen: Du bist schön. Verstehst du?“ – „…nicht wirklich.“ – „Es geht um die Vorstellung – ich erzähle dir die Geschichte eines Menschen, den es nicht gibt. Aber während ich dir davon erzähle, generiere ich die Identität einer Phantasie – durch meine Worte existiert er.“ – „Und was ist jetzt mit ihm?“ – „Vergiss ihn – es geht nur um die Vorstellung – der Mann ist nur in meiner Phantasie – außerhalb meiner selbst existiert er nicht. Aber gerade habe ich dir von ihm erzählt.“ – „Ja?“ – „Ich hätte dir weiter erzählen können, dass er in der U-Bahn sitzt mit einem umgeschlagenen Buch in der Hand. Sein Blick geht durch die Gesichter – ein paar Sitze weiter eine Frau, sie liest – ich könnte dir jetzt erzählen, dass sie sich anlächeln, oder ignorieren – was wahrscheinlicher ist oder er denkt über sie nach – dann käme wieder eine Stimme aus dem Off – vielleicht steigt er aus, ohne sie zu bemerken. Ihn beschäftigt etwas.“ – „Aber er ist nur eine Vorstellung.“ – „Genau – Identität ist doch nichts anderes, als sich selbst eine Geschichte geben zu können. Nehmen wir diesen Mann – siehst du ihn, wie er aus der U-Bahn aussteigt ohne die Frau zu bemerken – siehst du das?“ – „Hm – du meinst, ob ich mir das vorstellen kann?“ – „Ja – und dann stell dir vor, wie er ein zwei Jahre später auf einer total langweiligen Party ist – irgend so eine Party einer Firma, für die er gearbeitet hat und er steht da rum und ist schon halb gegangen…“ – „Worauf willst du eigentlich hinaus?“ – „Naja – ich frage mich einfach, wie das ist, wenn man sich all das vorstellen kann, wenn man eine Geschichte erzählen kann – wenn die Vorstellung die gleiche Qualität hat, wie die Realität – welchen Unterschied gibt es dann noch? Wenn ich mir vorstellen kann, dass der Mann gerade gehen will, als ihm eine Frau – und es ist die selbe Frau, die ihm ein zwei Jahre zuvor in der U-Bahn nicht aufgefallen war – am Arm packt und sagt: »Hey – warte mal!« – ist das also kitschig?“

only perception

selbstportrait #0

Heute Nacht habe ich das erste Mal von ihm geträumt. Mein Lyrisches-Ich war auch da – wir liefen lange. Ihr Blick war ein wenig kritischer als der Meine. Irgendwann musste ich sie weg schicken – ein Mal – nur ein einziges Mal will ich alleine entscheiden. Wir liefen zwischen Korn und ich konnte von ihm immer nur eine Seite sehen – entweder die eine, oder die andere – aber immer nur Seiten. Wie liefen von Mitte bis zum Treptower Park und er meinte dann, so viel war er schon lange nicht mehr gelaufen.

Es geht immer um den Anderen. Der Andere ist die Subjektivierung der eigenen Unzulänglichkeit. Du lachst. Ja – immer. Du lachst – wirklich? Du lachst? Ernsthaft – hör auf mich zu nerven. Also nah sein? Komm mir nahe, aber bleib da drüben, also bleib da aber komm her, komm zu mir, aber nicht so, nicht so nah, also bleib da, dass ich dich sehen kann aber nicht zu nah – also komm her, komm zu mir, bleib bei mir, komm mir nahe aber – aber nicht so, nicht so, also bleib so, bleib so – also geh, aber nicht zu weit, bleib so, dass ich dich nicht sehen muss aber weiß, dass du da bist….nimm mich in den Arm aber fass mich nicht an – also fass mich nicht an – wirklich jetzt – und jede Berührung ist, einfach alles spüren und plötzlich wird der Andere ganz real – also als Anderes, als Fremdes, Nicht-ich. Fremd. Fremder – es ist seltsam, dass alles einer fremden Person zu erzählen.

Irgendwo dazwischen sind Menschen – ich stelle mir Menschen vor. Ich spüre das Rauschen – das Gehäuf. Aber irgendwo dazwischen sind Menschen – echte Menschen. Irgendwo dazwischen sind Sätze – und in mir sind es alles Linien – kreuz und quer – auch Grenzen. Nur die Stille – die Stille ist wie kleine Nadelstiche. Und alle sagen, sie fänden die Stille am Besten. Ich sehe nur Linien. Und es ist, wie ganz nahe ran gehen – als wäre ich nahe ran gegangen – einen Augenblick sezieren, auseinander nehmen – einen Menschen sezieren – sich selbst auseinander nehmen, beobachten in Worten. Worte in Linien auflösen. Auflösung des Subjekts in seine pulsierende Körperlichkeit. Irgendwo ist da dann ein Ich – und ich will es streicheln, ich will es in den Arm nehmen. Ich streichle dann meinen Arm, drücke ihn gegen meine Schulter – ich bin ja noch da.

Sie sagt, ich werde alleine bleiben. Einsamkeit sind viele Linien – und der Schrei. Irgendwas ist immer alleine – ein Teil. Dieser angenehme Ekel um die eigene Existenz. Mehr Körper sein also – es ist eben auch nur eine Hülle, die oberste Schicht. Und ich will es betäuben – ich will diese obere Schicht betäuben – weg damit, weg mit der Hülle und mir ganz nah sein – so innen drin ganz nah sein, also innere Werte und der innerste Wert ist irgendwo da unten. Also innerer Wert – Habitat – Raum – mein Raum – zu Hause sein, zu Hause bleiben – die Türe – verschlossen. Für immer verschwinden – du bist nicht unsichtbar – du existierst einfach nicht.

Ich sitze hier – all das spielt in einem anderen Zimmer. Er steht am Fenster – dreht sich Zigaretten. Es ist immer die selbe Bewegung. Fenster. Zigarette. Du bist immer die selbe Bewegung, denkt ich. Du bist immer die selbe Bewegung zwischen Fenster und Du – von den Fingerspitzen an die Lippen wie Worte. Ich kann mir einbilden, dass Distanz Nähe bedeutet. Ich kann mir einbilden, dass Schweigen ein Zuspruch ist. Ich sitze hier – all das spielt in einem anderen Zimmer. Er steht am Fenster – dreht sich Zigaretten.

Ich bin eine Floskel – ein Zeichen – eine Schublade. Ich bin ein Gegenstand. In bin eine Form gepresst auf Fläche. Ich bin Zeit. Ich bin diese Linie gezogen durch Zeit und ausgefranst. Ich bin vergangen.

Das Geräusch von Haut – ein Gleiten am Zerfall – immer am Zerbrechen. Ich höre Haut gegen Luft, gegen Atem – gegen Holzdielen. Ich höre Haut sich langsam heben, mit jeder Berührung langsam heben – ein Abblättern, erodierte Partikel. Ich höre das Echo in den Kuhlen das Schlüsselbein entlang und am Rand der Schluchten – irgendwo zwischen Achselhöhle und Brustbein – alles ist beharrliches Vergehen an die Welt. Ich höre den flüchtigen Spann, Schultern und ihr Zusammenfahren. Ich höre Haut gegen Haut – es rauscht.

Zittern – das Sein vibriert an seine oberste Schicht – im Losgelösten begriffen – und die Sphären driften auseinander. Zwanzig Blicke mustern mich – zwanzig oder hundert oder einer – zusammengekniffene Augen und viel Nichtwissen. Worte sind dann, sich entkleiden und Jahre blättern von mir ab – Jahre und ein Zittern – aber da ist auch nichts mehr, was ich noch verbergen könnte – da ist auch nichts mehr in mir.

[Geräusche ploppen auf – ein Gesprächsfetzen – ein Gesicht – Gefühl – Stimmung – Zukunft – Geschichte – innere Verfassung – Spiegel – Selbstwahrnehmung – Summe – der Sound der Straße – U-Bahn – laut – es wird unheimlich laut – es ist nur die U-Bahn – der Puls geht hoch – Zittern – sie beobachten mich – krank – sie denken, ich sei krank – Zukunft – da ist eine Zukunft – ein Bedürfnis – ein Verlangen – eine Geschichte – laut – es sind nur die Reifen auf dem Kopfsteinpflaster – laut – laut – und das Licht ist grell – blendet – es ist nur die Straßenlaterne aber meine Augen schmerzen – Schritte – Hast – Nervosität – irgendwas ist aufgewühlt – da war ein Streit – Blut – ich spüre das Blut in meinen Fingern – ich höre das Rauschen – es rauscht durch den Körper – ich spüre die Sehnen – Konzentration auf Text aber da ist wieder ein Gespräch – Stimme – nur Klang – Problem – da ist irgendwo ein Problem – irgendwas liegt in der Luft – Schwingung – gelb ist immer irgendwas schlechtes – gleich passiert etwas schlechtes – irgendwas wie Streit – kalt – selbst in der U-Bahn noch eisige Kälte – die Handschuhe sind nutzlos – für einen kurzen Moment die Vorstellung, sich nicht bewegen zu können – Herzrasen]

Das Fremde – dann nehme ich einen Löffel in die Hand oder irgendetwas anderes und unendlich lange bleibt die Bewegung wie sie ist – aber sie ist nicht mehr. Das Dasein pocht gegen den Körper – und jeder dieser Orte ist irgendwo da Draußen, langsam verschoben, weit weg. Und jedes Du ist irgendwo da Draußen, langsam verschoben, weit weg. Und sie sagt, der Körper sei nur eine obere Hülle aber was meint nur – was meint sie, wenn jedes darunter einer Oberfläche bedarf – wenn jedes Rühren an diese Fläche alles durcheinander wirft – wirft, werfen, geworfen und wir, ich, du – wir sind ins Dasein geworfen – man. Wir sind in Körper geworfen und Seele – in ein zitterndes Etwas geworfen und Vorgeführte – der Welt Vorgeführte.

Die Grenze zwischen Menschen ist das Mensch-sein. Manche Menschen sind nur in Worten greifbar. Langes Schweigen.

Ich wollte niemals Mensch sein. Figur reicht völlig.

selbstportrait #0

….Alice

Wir wollen es nicht wissen. Wir wollen nicht wissen, was der andere denkt. Ein Meer von Einsamkeiten steht mit uns still// wo wir anklopfen. „Leg das Buch weg.“ Ich lege das Buch weg. Ein Selbstportrait bedeutet, mit sich selbst klar kommen – mein Blick geht rüber in die Fenster – Paare. Sich so von Wort zu Wort hangeln. Aber Worte sind Worte. Ein ganzer Stapel an Papier und jedes Wort gehört mir – mir alleine. „Hör zu –“ aber ich bin doch schon längst da. „Ich weiß nicht, wo dein Hase ist.“ Ja. Es bedarf einer Klarstellung – aber die einzige noch mögliche Klarstellung, wäre die Begegnung – die Worte werden jetzt nur zerfahrener und Beziehungen entwickeln sich um die Menschen herum. Und in jedem Menschen, den ich sehne, sehne ich nach einem Teil von mir. Ich will meinen rosa Stoffhasen zurück. Aber ich bekomme ihn nicht zurück. Statt dessen wurden mir Decken da gelassen – Decken und kleine Einsamkeiten. Und ich will – ich will mich an deine Schulter legen – ich will dich in meinen Arm nehmen – weil ich froh bin, dass du noch da bist. Aber du bist nicht da. „Wo ist mein Hase?“ – „Jetzt tust du es schon wieder – immer vermischt du die Ebenen.“ Dann lege ich die Stirn so lange in Falten, bis sie zu mir sprechen – am Ende kann man sich immer darauf zurück ziehen, dass man sich eigentlich gar nicht kennt. „Komisch oder?“ – „Ich weiß nicht, wo dein Hase ist.“ – „Komisch oder? Es reicht eine Sekunde – dann ist alle dagewesene Intimität einfach vergessen. Manchmal finde ich Menschen komisch.“ – „Ich weiß nicht, wo dein Hase ist.“ – „Es reicht eine Sekunde und man sieht plötzlich nur noch das Erbärmliche – jeder Mensch hat auch etwas Erbärmliches.“ – „Ich weiß nicht, wo dein Hase ist.“ – „Ich rede gar nicht mehr mit dir – hör nicht zu.“ – „Siehst du – du vermischt die Ebenen. Du tust so, als wären deine Geschichten real und das Reale nur Geschichten – du schreibst alles brav auf, verwischt die Gedanken mit ein paar lyrischen Worten – und dann glaubst du, ich hätte deinen Hasen weg geworfen.“ – „Aber er ist weg.“ – und dann werden sie laut – wenn die Worte fehlen. Ich bleibe am Fenster stehen, schaue auf Licht und Paare: Ich habe meine ganzen Ichs verbraucht – ich brauche jetzt mans und wirs und dus – aber die sind auch rar. Und einen rosa Stoffhasen, den er wahrscheinlich wütend zerstückelt hat – oder einfach in den Müll geworfen. Erbärmlich. Dann reiß ich meine Brust auf – einfach Brustaufreißen – hier – das bin ich. Worte sind langsames entlassen der Seele – Worte und Bewegungen und Tanzen und Dasein. Hier – kannst es zerkratzen oder zerreissen oder nur darüber lachen. „Ich weiß nicht, wo dein Hase ist.“ Ja. Ja. Ja.

….Alice

experiment I

Ich – Ich – Ich – Ich – Also ich – Ich. Ich kann mich nicht sehen.

Chaotisch – in meinem Kopf ist prinzipiell Chaos, ich bin selten mit mir zufrieden.

Meine Unzufriedenheit wird nicht wahrgenommen, die meistens Menschen mögen mich schnell, vertrauen mir schnell, weil ich sehr offen und herzlich bin.

Wärme strahlt aus meinem Gesicht – dachte ich immer.

Ich lasse mich gern fallen – wenn der Moment dann kommt – Kleidung ist für mich, sich auszudrücken – sie zeigt auch meine momentane Stimmung.

Man hält mich oft für oberflächlich, verwöhnte, reiche Modegöre. Das empfinde ich dann als Demütigung – ich empfinde genau das Gegenteil.

Manchmal stelle ich mir vor, jemand zerkratzt mir das Gesicht – ich werde zu erst geschminkt, alles wird schön zu recht gemacht – ich trage ein weit schwingendes, ausgefallenes Kleid und wenn dann alles fertig ist, wenn ich fertig präpariert bin, kommt einer und zerkratzt mir das Gesicht, reißt mir die Kleider vom Leib, reißt alles herunter und ich bleibe nackt und zerkratzt und blutend auf dem Boden liegen.

Also Ich.

Ich kann oft nicht los lassen – ich will es aber ich kann nicht. Ich hatte noch niemals einen Orgasmus. Ich brauche lange, bis ich mich in einer Situation oder mit einem Menschen wirklich wohl fühle – meistens ist, als würde ich die ganze Zeit neben mir stehen – mir dabei zu schauen, wie ich da sitze, wie alles um mich herum passiert – ohne mein zutun – ohne mich. Auch beim Sex – da sehe ich mir oft von oben zu – dann komme ich mir lächerlich vor.

Ich. Also ich. Ich kann mich nicht sehen.

Ich bin ein Mensch der sehr zurückhaltend ist, vorsichtig, nach außen wirke ich sehr extrovertiert und quirrlich aber eigentlich bin ich recht kontakt scheu. Ich bin er geizig und habe einen starken Trieb in mir, meine ziele zu erreichen. Moment jedoch entdecke ich einen Menschen in mir, der sich sehr nach Entschleunigung sehnt.

Das sind dann immer Situationen oder Momente, in denen ich stolpere, unbeholfen bin – eigentlich müsste alles sitzen, alles gut sein und dann stolpere ich oder ich lasse alles fallen und der ganze Raum dreht sich nachmir um und hinter den Fenstern sind mit einem Mal Mauern und die Tür ist abgesperrt und der ganze Raum starrt mich an – starrt mich einfach an.

Ich.

Ich bin spontan, wirke sehr selbstbewusst. Manchmal fehlt mir die innere Ruhe – obwohl ich sehr ruhig bin aber manchmal merke ich, wie mir das fehlt, einfach mal ruhig zu sein – sich nicht nach Draußen zu vermitteln – einfach mal nicht erreichbar zu sein. Ich versuche durch körperliche Nähe, Intimität auf zu bauen – ich brauche die Berührung – ich muss berührt werden und ich muss berühren um einen Menschen richtig wahr nehmen zu können. Fühlung – alles – mit einem Mensch tanzen – dann habe ich das Gefühl, ihn verstehen zu können – oder es ist eben wie Kommunikation – es ist ein Gespräch – eben ein Gespräch durch Bewegung.

Also ich.

Ich denke nicht viel darüber nach, wie ich nach Außen wirke – das spürt man ja auch einfach, ob jemand einen annimmt, wahr nimmt oder eben nicht – aber ich mache mir keine Gedanken darüber, aus welchem Grund ich jetzt nicht angenommen wurde. Das ist dann halt so.

Ich bin voller Wiedersprüche – konfus. Verschlossen und offen zu gleich und vielleicht auch ein wenig lustig. Doch – sehr lustig.

Oft werde ich für arrogant gehalten oder einfach introvertiert – aber auch für cool. Ich habe Angst davor. Ich habe Angst vor Menschen. Ich habe Angst vor Berührung. Ich habe Angst. Ich schließe meine Türen ab – ich schalte mein Handy aus – ich bete, dass mich niemand anruft – ich will alleine sein. Aber wenn dann wirklich niemand klingelt, wenn niemand anruft, frage ich mich, warum ich so alleine bin – warum niemand da ist, der anruft, der klingelt. Ich bin allein. Es klingelt nicht. Niemand ruft an. Die Vorhänge sind zugezogen, kein Licht kommt in den Raum – ich weiß nicht, ob es Tag ist oder Nacht – es ist einfach – es ist Zeit und niemand ruft an, niemand klingelt, niemand weiß, wo ich wohne, niemand sieht, dass ich zuhause bin. Ich bin niemand.

Ich.

Ich glaube, ich bin ein netter Mensch. Seltsame Frage – der erste Eindruck ist wahrscheinlich reserviert – Reserviertheit – mit der Zeit wird es dann wärmer – ich komme eigentlich mit fast jedem gut klar.

Ich werde häufig falsch eingeschätzt – ich bin dann eher erstaunt, verdutzt aber weniger gekränkt.

Ich habe dieses Bild von mir, dass ich gut alleine klar komme, dass ich gut alleine sein kann, dass ich gerne alleine bin – und eigentlich ist das auch so. Ich bin allein – ich lebe allein, mit meiner Einrichtung, nach meinem Sauberkeitsempfinden und mit schönen Möbeln – ich habe dieses Bild von mir, dass es gut so ist, dass es super so ist – dass es so ist, dass ich gerne alleine bin. Aber manchmal weiß ich nicht, ob dieses Bild wirklich von Innen kommt. Manchmal weiß ich nicht, ob ich das bin – ob ich dieser Mensch bin, der alleine ist oder ob ich einfach alleine bin – ob eben niemand mit mir zusammen sein will, zusammen leben will – mich in seinem Leben haben will. Ob mein Leben dann nicht doch von Außen bestimmt ist.

Also ich. Ich kann mich nicht sehen.

Ich bin eher ein ruhiger Mensch, zurückhaltend – introvertiert vielleicht – aber eigentlich nicht, brauche Zeit.

Äußerungen, Bewegungen – darüber denke ich oft nach – wie wirkt das, welche Reaktionen bekomme ich darauf – es passiert oft, dass sich eine Schublade öffnet – das sind vielleicht auch nicht die Menschen, mit denen ich befreundet bin aber man will auch so nicht in irgendwelchen Schubladen oder Kategorien stecken – nur weil man eine bestimmte Handbewegung vollzogen hat oder die Stimme ein Stück zu hoch war.

Es gibt immer ein Außen, es gibt Erwartungen – es gibt bestimmte Kategorien und ich weiß, wenn ich mich selbst darin bewege, ändere ich nichts daran – es führt nur dazu, dass diese Kategorien aufrecht erhalten bleiben – also sie bleiben und sie sind mir wie Grenzen, an denen ich mich orientieren kann – aber es sind auch Grenzen und Teile meines Ichs bleiben daran hängen, kommen irgendwie zum erliegen. Es immer so ein Drahtseilakt zwischen mir und dem, was erwartet wird – oder eben dem, wie es ist – wie es normal ist.

Also ich.

Ich bin ein junger Mensch. Ein glücklicher Mensch. Ein kleiner Mensch. Ein Mensch in Berlin.

Meine Außenwahrnehmung schwankt so zwischen abweisend und herzlich.Ich habe Angst davor, mit meiner Sprache an eine Grenze zu kommen – nicht mehr weiter zu kommen – mich nicht vermitteln zu können. Ich habe Angst davor, zu verschwinden, wenn meine Sprache zum erliegen kommt. Was ich nicht vermitteln kann, das ist auch nicht denkbar. Ich habe Angst vor diesem undenkbaren Moment – weil es irgendwie auch bedeutet, dass Teile meines Seins in diese Unvermittelbarkeit über gehen.

Ich.

Ich glaube ich bin schöner, wenn ich mich nicht bewege. Auch nehme ich oft statische Positionen ein – verharre in einem Moment mit nur minimalistischen Verschiebungen meiner Gesichtszüge. Ich will nicht, dass man mich sieht – also, dass man irgendetwas in mir sieht oder eben auf mir – das Innen auf mir sieht oder durch mich hin durch sehen. Manchmal fühle ich mich wie so eine Marmorstatue und ich versuche so zu bleiben – in einer Haltung.

Ich. Ich sehe mich nicht.

Ich bin ein Leser. Ich bin ein Mensch der schwierige Entscheidungen vermeidet

Keine Ahnung, wie ich nach Außen wirke, aber es ist bestimmt falsch.

Ich sehe oft Leere, die meine Begegnung in anderen hinterlässt. Das Ich ist eine Konstruktion – man ist eine Konstruktion. Man ist eine diffuse Masse aus dem, was man ist, was man sein will, was man glaubt zu sein, was man glaubt in Anderen auszulösen – aber das sind viele Schritte zur Selbstinszenierung – wir inszenieren uns den ganzen Tag – ich bin eine Inszenierung dessen, was ich gerne wäre. Also bin ich es nicht. Aber wir sind es nie.

Also ich.

Ich denke ich bin ein vielseitiger Mensch, der kontinuierlich an sich arbeitet. Ich werde als angenehme, ruhige, lockere Person wahrgenommen und komme generell gut mit Menschen klar.

Ich habe Angst davor, meine Ängste nicht besiegen zu können und auch davor, ein Versager zu sein.

Es ist mir unangenehm, andere Menschen zu enttäuschen – oder dieses Gefühl eben der Enttäuschung, wenn man etwas nicht geschafft hat – ein Ziel nicht erreicht hat und dann steht man vor seinen Freunden als Versager da. Wenn man Träume hat oder ein Ziel und man erreicht es nicht – wenn meine Freunde dass dann mit bekommen und auf mich herunter schauen und genau wissen, ich habs nicht geschafft, ich habs nicht hin bekommen – ich bin ein totaler Looser.

Ich sehe mich nicht – ich kann mich in mir nicht sehen. Meine Abbildungen bleiben mir leer – da kommt keine Geschichte, da spielt nichts – da erzählt nichts.

Wen schaue ich an? Also wen schaue ich an?

Sich in die Haare greifen, den Blick senken – wohin mit dem Blick – es ist anstrengend, sich selbst ausgesetzt, es fehlt Nähe, es fehlt die Stimmung – keine Fühlung.

Ich. Also ich. Ich sehe mich nicht.

experiment I