„Warum bist du überhaupt nach Heidelberg gegangen?“ Diese Frage kam oft, wenn ich von meinem Studium erzählte und von dieser kleinen romantischen Stadt und von dieser Enge, die zu jedem Beginn noch so schmeichelnd ist. „Aus Bequemlichkeit.“ antworte ich dann gerne. Warum nicht? Man konnte sich einfach einschreiben, meine Eltern hatten ganz in der Nähe eine kleine Wohnung für mich und irgendwie musste ich mich um nichts kümmern. Dann natürlich die Geschichte – älteste Universität auf deutschem Boden und Philosophie neben großen Namen – aber das ist nur Teerest – letztlich war es Bequemlichkeit und mein Blick schweift nachdenklich in eine andere Richtung und sie lachen. „Dieses Heidelberg – immer wenn du davon redest, klingt es wie ein mystischer Ort!“ und ich widerspreche – was für ein Blödsinn. Und ich korrigiere dann diesen falschen Eindruck. Heidelberg ist eine Blase – sie umhüllt dich und hält alles andere von dir fern, hält die Welt von dir fern und gibt dir ein Gefühl von Sicherheit ein – solange du sie nur nicht verlässt, diese kleine Stadt. „Wie ein Gefängnis also?“ Nein, auch das nicht und ich schüttle den Kopf. Das ist schon wieder zu viel des Guten. Einfach nur diese kuschelig-weiche Blase, die dir das Gefühl eingibt, du kannst alles sein und alles erreichen – aber eben nur auf dem Boden dieser Kopfsteinpflaster, zwischen hellrotem Sandstein und Geschichte – toskanisches Licht und alles ist vertraut – man ist nie allein und jedes Ziel liegt so klar. Ob ich es bereue? Manchmal schon – manchmal auch nur, dass ich nicht früher gegangen war – vielleicht nach dem Grundstudium – aber auch hier scheiterte jeder Versuch, sich zu wenden nur an meiner Bequemlichkeit und irgendwie tat es ja auch gut, sich in dieser kleinen Blase zu bewegen – verstehst du? Immer dieses Notwendigerweise im Vielleicht – wie sie Spuren hinterlassen, die Menschen, Spuren ins Leere. Und alles woran ich mich noch erinnern kann, ist dieses Blumenkleid – wie ich da sitze im Innenhof – als plötzlich all die schönen Kleider im Koffer so nutzlos waren. Als alles andere auch nur so nutzlos war. Jetzt also sitzen im Garten – alleine – mich ins Leere halten – mit Flucht auf die Hauptstraße und alles im Blick. Hier finde ich mich am Boden, an kleinen Gräsern haltend, an jungen Blüten – aber keine Zukunft – nicht. Und alles Schließen der Augen bleibt ohne Veränderung. Also sitzen im Garten – Heute wie Gestern noch sitzen – fünf Jahre später oder früher – Heute mit leichtem Wind. Woran nur, hast du Gefallen gefunden? Und wie kann ich dir jetzt Nichts sein und wo ist dein Versprechen? In der Mitte des Gartens liegen sie auf dem Bauch, sonnen sich. Wie geht es ihm – hatte ich gefragt, hatte ich fragen müssen. Gut – war die Antwort. Wie könne es ihm damit gut gehen, mein Gedanke. Es mir leichter machen wollen. Trauma, sagt sie. Ich sage Ekel vor allem. Sitzen auf dieser Mauer – noch im Gestern. Für ihn war es die richtige Entscheidung. Hier sitzen im Blumenkleid – mit Wind – noch niemals einsamer. Jetzt wurde der Garten geschlossen und meine Hoffnung. Sich entwöhnen. Die Minuten zählen bis es aufhört – aber nie ganz. Nie ganz los lassen können – leben in der Vergangenheit; es los werden wollen aber nicht können. Es töten aber nicht können. Es schneiden aber nicht können. Aber wie kann ich nur so dumm fragen – ich war schon lange dieses Nichts – konzentrisch kreisend und so schattig. Du schließt deine Augen, immer und immer wieder – bis du sie dann mit einem Mal aufreißt – dann aber zu weit. In schneller Hast gehoben – natürlich. Wie habe ich mich an dir wund gerieben, mit all der Schnappatmung und Hunger – das bleibt. Es fehlen aber nicht können. Kopfkino. Mein Innenhof bleibt leer. Vor allem Nichts. Sein Wesen auf meiner Seele überall. Sein Gang nirgends und mir mein Hunger wie ein warmer Schmerz unterhalb der Brust. Der Innenhof bleibt verschlossen. Das Klagen der aufgehenden Tür ohne Nervosität. Kann mich nicht mehr nervös machen. Hinter dem Zaun verschwindet eine Silhouette – jetzt ein Zustand zwischen den Welten. Alle sagen es braucht Zeit, es geht vorbei. Ich weiß das. Demütigung – das Gefühl bleibt. Demütigung der Verlassenen und das brennende Verlangen alles zu vernichten. Es bleibt eine Wohnung ohne Inhalt und ein Blumenkleid. Ich behaupte es läuft gut, aber nichts dergleichen ist der Fall. Ich laufe nicht. Trauma, sagt sie. Schockstarre. Er sagt, er hätte es nicht anders gekonnt. Ich sage, Schmerz. Keine Expansion mehr – nur Innerlichkeit und Festung. Festung vor allem. Es friert zu. Einige Stunden später sitze ich noch immer hier – wartend, auf ein Ende ohne Ende. Auf einen Anfang im Nichts – auf mich. Individualität – wollte ich nicht. Er im Bett mit der Anderen – gibt ihr Kosenamen und streichelt ihre Blonden Locken – dieses Charakterlose Wesen – fickt sie in alle Löcher, fickt sie blutig und tötet auch sie – immer. Will alleine sein. Sitzt in der Küche und weint seiner toten Mutter hinterher. Weint, weil er nichts hat, nur sich und das reicht nicht. Will es entlassen können und kann nicht los lassen. Alles nervös. Da geht man und trägt Last. Einsame Menschen. Wir haben geweint, gemeinsam. Jetzt weinen wir am selben Tisch, getrennt. Ich will dich nicht Lügner nennen – aber wie kannst du vergessen? Schnappatmung im Garten – Schnappatmung und –
aus Kapitel 2