Nichts mehr

Seiltanz:
zwischen Brot und Bett,
auf Strom
und dir.

Morgen mit Dunst:
Eines der Dinge,
oder deiner Wirkung –
jetzt.

Dann Tiefe:
die Vorliegende bin ich.
Du bist.
Wir sind.

Die andere Person,
Fragmente.
…es ist nicht genug,
seit ich vertrauen kann.

Wir haben ein Außen, d.i.
»Ich bin schön!«

Was wir nicht brauchen,
um zu sehen.
Lauf usw.
aber:

Ich schluckte unsere Welt!
In das hier und jetzt zu mir …ich stehe.
Hier nun zu mir …ich stand.
Hier ist mir jetzt.
Hier mich jetzt …ich war.

Remix von Vielleicht hab ich kein Innen mehr von Michael Bärnthaler im Rahmen von Orbanism Festival Faling in Love.

Nichts mehr

Unsere Liebe sind Sammlungen Screenshots

»Ich will deine Muse sein.«
»Screenshot!«

Bildschirmfoto 2015-07-14 um 14.27.36Dadurch entstehen seltsame Bilder – z.B. durch Glas oder durch ein Prisma. Ich für meinen Teil finde das natürliche Geräusch von Kindern viel schlimmer, als das Rauschen der vorbeifahrenden Züge. Ausgesprochen tut es mir schon wieder ein wenig leid – der seltsam verstohlene Blick. „Das kommt noch.“ meint er. Ich schüttle den Kopf. Ich bin optisch wahrscheinlich kein Mensch. Ich habe einen krummen Rücken vom Tippen und zerkaute Fingernägel vom Denken.

Bildschirmfoto 2015-07-14 um 14.41.34Ich kann dem nichts mehr hinzufügen. Es ist ganz einfach: So wie du willst, werde ich nie sein können. Sie nickt. Sie nickt, obgleich sie es nicht versteht. Würde sie es verstehen, würde sie gehen. Stattdessen nickt sie nur und ihr Nicken quält mich. Jetzt ist kurz Ruhe.

Bildschirmfoto 2015-07-14 um 14.47.52Aber in ein paar Tagen werde ich wieder etwas nicht richtig machen. Dann werde ich nicht zugehört haben oder nicht rechtzeitig geantwortet oder ich werde nicht aufmerksam gewesen sein, nicht fürsorglich oder verständnisvoll. […] Es interessiert mich nicht. Ich will meine Ruhe. These: In einer Beziehung sucht die Frau eher die Reibung und der Mann die Harmonie.

seele
»Entschuldigung!« –
»Wofür?« –
»Dafür, dass ich bin, wie ich bin.« –
»Jeder Mensch müsste das eigentlich sagen.« –
»Ja. Jeder Mensch ist eine Zumutung.« –
»Statt: Ich liebe dich! Sollten wir besser: Ich ertrage dich! sagen.«

nichtsDas ist wieder so typisch für dich. Du kaufst die Hasstiraden im Lotterielos. Meine Hand verharrt noch eine Weile in der Luft, nachdem du gehst. Wie lange kann ein Mensch auf einem anderen liegen, bis er ihn erdrückt. Sreenshot.

liebereiss

Unsere Liebe sind Sammlungen Screenshots

Alle 11 Minuten verliebt sich niemand in mich.

Es ist fast lächerlich über den Erinnerungswert von Photographien zu sprechen – denn sie haben keinen. Sie haben nur noch einen Jetzt-Wert – einen: Jetzt-bin-ich-hier-Wert. Einen: Jetzt-passiere-ich-in-der-Welt-Wert.

Marlon hat sich ein wenig über die Brüstung gebeugt. Er kontrolliert die Distanz. Wieder reagiere ich zu langsam, oder zu schwach. Ich sei heute sehr kühl, behauptet er. Das stimmt. Ich schweige. Bei mir kannst du dich anlehnen, hatte er damals gesagt – und einnicken, zumindest gedanklich oder erzählen – mir kannst du alles erzählen, eigentlich kannst du tun und lassen was du willst. Ich habe genickt und gelacht und dann wusste ich auch nicht – dann war irgendwie alles gut. Marlon steht jetzt ganz am Rand und wartet auf mich. Er erwartet mich. Er erwartet, dass ich mich erschrecke aber ich stehe ihm zu kühl an der Brüstung, mit meinem kalten jüdischen Intellekt – so erklärt er sich mich – mit meinem kalten jüdischen Intellekt stehe ich ihm zu kühl an der Brüstung. Erst später im Café schiebe ich ihm den Photostrip über den Tisch – weißt du noch, sollen ihn die Bilder fragen – weißt du noch, als wir uns eng auf diesen Quadratmeter positionierten, posierten. Erinnerst du dich?

Ich mag es z.B. wenn in einer Knabberbox das Knabbererzeugnis der einen Sorte beim maschinellen Einfüllen im genormten Raum der anderen Sorte landet. Ich frage mich, wie es ihm ergangen ist allein unter Andersartigen. Ich stelle es mir nicht einfach vor. Ich denke, er hatte es nicht leicht. Vielleicht hat er versucht, eine Religion zu gründen, zur Rechtfertigung der eigenen Existenz. Ich schaue ihn lange an: Wie ist es dir ergangen? Leider habe ich die zu ihm gehörende Sorte schon aufgegessen – sonst hätte ich dich ans Licht bringen können, in den Himmel – wo alle ganz genau so sind wie du. Aber er bleibt allein.

Als hielte ich mich fest. Jeden Morgen hoffe ich, als Käfer zu erwachten und dann bin ich doch nur dieser komische Mensch, der ich jeden Morgen bin. Dabei ist die Sehnsucht, von einem Moment zum nächsten ein Anderer zu sein – oder etwas anderes, gar nicht so abwegig. „Wann sind wir schon ein und der selbe?“ frage ich Marlon. Wann? „Etymologisch betrachtet, bewegt sich der Begriff Identität zwischen lateinisch idem: Gleichheit und ipse: Selbstheit – also zwischen dem Moment des Sich-erkennenden-Selbst und der Erkenntnis gleichbleibend zu sein. Diese Dialektik …“ – Marlon verzieht das Gesicht …. „Diese Dialektik veranlasst uns dazu, das Verhältnis von Gleichheit und Selbstheit zu untersuchen, wenn wir z.B. über Lebensgeschichte nachdenken – denn die Erfahrung der körperlichen und geistigen Veränderung in Zeit widerspricht der Annahme, eine Person wäre vom Beginn ihres Lebens bis hin zum Tode die selbe. Man entwickelt sich von einem Wesen ohne Welt zu einem Wesen mit Welt. Und Entwickelung bedeutet in diesem Fall Veränderung in einem zeitlichen Kontext und betont den Menschen als Prozess an sich selbst. Es ist ganz einfach: Die Identität krankt an der Zeit. Da kommt es mir gar nicht mehr so unwahrscheinlich vor, eines Morgens als Käfer zu erwachen.“

Und die Welt nimmt einfach keinen Anfang. Aggressiv, einnehmend, manipulativ, gefühllos, selbstbezogen, kalt, distanziert, zynisch, unhöflich, abwesend, narzisstisch, durchtrieben – das sind Adjektive. Liebevoll, verträumt, leidenschaftlich, hingebungsvoll, infantil, aufmerksam, aufopfernd, herzlich, bedingungslos – das sind Adjektive. Ich habe Angst vor Gott seit meine Mutter sang und morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt. In den Elegien tummeln sich zu viele Engel. Schrecklich. Mein Selbsthass deprimiert mich, also Marlon – also mich. Er zählt alles der Reihe nach auf, eine Liste. „Willst du es mir nicht aufschreiben?“ frage ich. Dann kann ich es mir besser merken. Als er mich ein paar Tage später fragt, wie es mir geht, sage ich lieber nichts. Ich will ihn nicht deprimieren. Ich sage nichts mehr.

Du willst mich ganz nahe, ganz nahe, ganz in dir. Oder hingebungsvoll. Oder bedingungslos. Sich selbst im Anderen auflösen – oder in der Liebe. Du kannst alles sein was du willst – ganz wie du bist, kannst du sein, nur nicht so kühl. Wenn du mich – also, wenn du mich nicht – also, dann – dann bist du mir eben auch nicht mehr so wichtig. Marlon erwartet mich an der Brüstung. Aber die Sekunde Marlon – die Sekunde, in welcher ich oder du weiß, wer ich oder du bist, bin ich oder du es schon nicht mehr.

Die zerbrechlichen Dinge werden ja extra in Zeitungspapier gewickelt und um jedes Herz ist fürsorglich ein ganzer Mensch gepackt. Mein Mensch liegt auf den Dielen, zwischen den Dielen in dieses knarzige Geräusch gelegt und heult. Mein Mensch weiß nicht, was passiert – was passiert da mit meinem Menschen, während ich so sehr an dem Schal ziehe, dass es meinem Menschen ganz flau wird um den Hals, dieser kurze Augenblick Atemnot – dann lasse ich los.

Ich sage immer: Ja, du kannst mit mir über alles sprechen. Aber eigentlich will ich nichts hören, was nicht meine Stimme ist. Und meine Stimme ist dunkel und monoton. Ich sage: Ja, du kannst mir alles sagen. Aber eigentlich will ich nichts hören, was nicht Ich bin. Und ich bin. Und ich bin – dein Mund. Du sagt, er ist schön, er ist voll – so voller Worte und ich sage, er ist zum Küssen da, nicht zum Sprechen – und ich verbiete dir deinen Kussmund, ich verbiete dir jedes Wort darin, was nicht Ich bin. Und ich bin. Und ich bin – deine Worte. Deine Worte sind so langgezogen und so langweilig, wenn sie nicht Ich sind. Deine Worte, deine Worte sind so zäh, wie das Sperma, das ich schlucken soll, wenn ich mich hingebe – so zäh und ohne Geschmack. So zäh und ohne Ziel, wenn es nicht Ich bin.

Du sagst immer: Ja, du kannst mit mir über alles sprechen. Aber eigentlich willst du nichts hören, was nicht deine Stimme ist. Und deine Stimme ist irgendwie und monoton. Du sagst: Ja, du kannst mir alles sagen. Aber eigentlich willst du nichts hören, was nicht du bist. Und du bist. Und du bist – mein Mund. Ich sage, er ist schön, er ist voll – so voller Worte und du sagst, er ist zum Küssen da, nicht zum Sprechen – und du verbietest mir meinen Kussmund, du verbietest mir jedes Wort darin, was nicht du bist. Und du bist. Und du bist – meine Worte. Meine Worte sind so langgezogen und so langweilig, wenn sie nicht du sind. Meine Worte, meine Worte sind so zäh, wie das Sperma, das du schlucken sollst, wenn du dich hingibst – so zäh und ohne Geschmack. So zäh und ohne Ziel, wenn es nicht du bist.

Ich warte wie vereinbart vor der Tür. „Warum sollte ich vor der Tür warten?“ frage ich Marlon ein paar Stunden später. Wir sitzen in einer Bar im Wedding, alte Sessel. „Die werden in Berlin niemals ausgehen.“ hatte ich gesagt, um die Stille zu durchbrechen. Marlon hat diese ganz gerade, ganz spitz zulaufende Nase, die mir immer besonders gut gefällt. Sie gibt jedem Gesicht etwas Nachdenkliches. Sehen kann ich nur von oben – er hält den Kopf tief, fast liegt das Kinn auf der Brust, fast könnte er mit dem Kopf voran in seinem Körper verschwinden. Ich stelle mir vor, er schaut mir auf die Beine – es sind heimliche Blicke auf meine Beine. Unter dem Zittern meiner Hände ist die rechte Armstütze aus der Fassung geraten. Aber er hat es nicht mitbekommen. Manchmal schaut er auf aber dann schaue ich weg. Als die Stille unerträglich wird, frage ich: „Warum sollte ich vor der Tür warten.“ Ihm huscht etwas über die Lippen, ein Gedanke – sprich es doch aus. Dann zuckt er mit der Schulter: „Ich hasse es, zu klingeln.“

Irgendwann ist es so still – wie bin ich hier her gekommen? Ich hasse alte Sessel und stille Männer – bist du ein Geschichtenerzähler, Marlon? Von wem würdest du dich gerne erschießen lassen? Wer ist deine heimliche Verlobte? Und all die Dinge, die du tust, wenn du alleine bist? Ich z.B. setze mich, wenn ich nach Hause komme, in den Sessel und schaue noch eine Weile aus dem Fenster – es ist die selbe Welt, aus der ich gerade gekommen bin aber hinter dem Fenster fühlt sie sich irgendwie nicht mehr so grausam an. Mein Glas ist bald leer, dann gehe ich. Ich habe es mir fest vorgenommen, ich hör dir nicht mehr zu, wie du nichts sagst. Wir sind uns jeden Tag begegnet – vielleicht nicht jeden Tag aber mehrmals in der Woche und dann hast du mich gefragt, ob ich Feuer habe und ich hatte Feuer und dann hast du mich gefragt, was ich lese und ich habe Kleist gelesen und dann hast du mich gefragt, ob ich gerne blase – das wäre schön gewesen, das hätte mich empört aber du hast dann nichts mehr gefragt und dann habe ich gefragt, ob du Kaffee trinkst und du hast Tee getrunken und dann sollte ich draußen vor der Tür warten, weil du es hasst, zu klingeln und ich habe draußen vor der Tür gewartet. „Willst du noch etwas trinken?“

Ich schaue dich lange an. Ich schaue dich lange an. Ich schaue dich lange, lange an. „Willst du noch etwas trinken?“ – „Trinkst du noch was?“ frage ich nach einer Weile. Er starrt schon wieder seine Flasche an … ich gehe jetzt Marlon. „Ja, doch.“ sagt er. Marlon, ich gehe jetzt. Wirklich. Ich gehe jetzt. Aber dein Einfall gefällt mit – dein Einfall im Körper, so ein bisschen ganz zusammengefallen, so unwirklich – wo bist du, Marlon? Also nicke ich. Als er zurück kommt, mit zwei Getränken, schaut er mich an. Er schaut mich an. Er schaut mich an. Zum ersten Mal an diesem Abend. „Es gibt da eine Sache, die mache ich, um Frauen zu beeindrucken.“ sagt er dann nach einer Weile „Weil ich nicht so gut labern kann.“ Ach. „Und?“ – „Okay, also.“ er richtet sich ein wenig auf, er atmet ein – herrje. „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen. »Was ist mit mir geschehen?«, dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten Wänden.“

„Hat das schon mal funktioniert?“ frage ich ihn. Ich bin lange ruhig geblieben. Sein eingefallener Körper war aufgegangen, hat sich mit leiser Stimme in den Raum verteilt – lass es so. Lass es genau so. Lass die aufgestellten Haare an meinen Oberarmen genau so. Lass deine Augen nach innen gerichtet auf der Suche nach den Worten an der richtigen Stelle genau so. Lass diese Gedanken auf deinen Lippen genau so – lass es, wie es ist – genau so – jetzt.

„Hat das schon mal funktioniert?“ frage ich ihn. „Nein, noch nie.“

Gelesen auf ES WIRD ZEIT vom 04.07.2015

Alle 11 Minuten verliebt sich niemand in mich.