insideout (Ruhrgebiet 2/10)

Ich frage mich, ob dein Verfall auch mein Verfall ist – oder ob es viele Verfalle gibt, vielleicht so viele Verfalle wie Menschen. Ich glaube nämlich nicht, dass die Umgebung verfällt, also die Gebäude, Dinge, Gebärden, ich glaube nicht, dass der Verfall das Äußere betrifft, den Rand. Vielleicht weint es sich besser allein – ohne Abgrenzung, also ohne Saum, Umriss. Ich frage mich, ob dein Verfall auch mein Verfall ist oder warum, also warum erreicht der eine Verfall das Herz und der andere nicht, woher kennt der eine Verfall den Weg (– in der ganzen stadt verteilt liegen von mir benutzte zahnbürsten rum wie brotkrummen aber kein weg) und der andere nicht. Also vielleicht gibt es so viele Verfalle wie Menschen. Ich glaube nämlich nicht, dass die Umgebung verfällt, also das Äußere, also das Grenzziehende, das Freiheiteinschränkende, das was uns daran erinnert, nicht allein sein zu können, das was uns zu Einsamen macht – das verfällt nicht, das bleibt immer gleich, das ist das einzige Wenn-sie-nicht-gestorben-sind. Das Äußere verfällt nicht.

insideout (Ruhrgebiet 2/10)

Vom Ende her (Ruhrgebiet 1/10)

Ich würde dir gerne schreiben, was mich an diesem Ort hier oder sagen wie an diesen Orten hier fasziniert. Dann würde ich dir etwas von dem Verlassen-werden erzählen oder von dem Verlassen-sein – alles hier ist verlassen. Ich würde dir vom Verfall erzählen, dass alles verfallen ist oder zumindest im Begriff ist, zu verfallen. Ich würde dir von der Natur erzählen, denn überall dort, wo keine Menschen mehr sind, überall dort sind auf ein mal Pflanzen aufgetaucht und bahnen sich ihren Weg durch die Sollbruchstellen im Stahl und Beton – ich würde dir also nichts über den Tod erzählen, denn Tod gibt es hier nicht oder wenn, muss man etwas länger nach ihm suchen und bisher konnte ich ihn nicht finden. Ich würde dir schreiben, dass die Zeit gerade lang genug war, für mich, das alles hier zu ertragen, weil ich Stille einfach nicht lange ertrage, aber zu kurz, um wirklich etwas zu verstehen und du weißt selbst am besten, dass man wirklich lange hinhören muss, wenn es still ist. Ich würde dir auch von den Idyllen schreiben, die gibt es, also intagramgefiltertes Wasser zum Beispiel, blau oder instagramgestoriete Industriebrachen, schwarzweiß. Ich würde dir von all dem Übriggebliebenem schreiben, also dass viele Dinge einfach übriggeblieben sind, dass es entweder keine Verwendung für sie gibt oder dass ihre Verwendbarkeit hinfällig geworden ist, weil eine Story auf Instagram steht gerade mal 24h und dann ist sie vorbei und vielleicht würde ich dir davon erzählen, dass ich mich auch so fühle, vorbei gegangen, vorbei gefahren an all diesen Dingen aber wieder mal nirgends stehen geblieben und ich würde so gerne endlich mal wieder stehen bleiben.

Etwas in diese Richtung würde ich dir gerne schreiben, aber ich kann nicht. Also schreibe ich einfach nur: Fin. Der beste erste Satz.

Vom Ende her (Ruhrgebiet 1/10)