Abschiedsbrief 13.04.2015

Schau, ich hatte gerade deinen Schwanz im Mund und jetzt schläfst du – das ist normal. Das nennt man: Nähe.

Nur mich macht diese Nähe krank. Ich hasse mich für jeden Moment dieser Nähe und jeden Typen der sagt: Du bist ganz nett, aber …

Aber. Aber. Ich habe diesen Satz auch schon ein paar Mal gesagt. Klar. Man sagt das schnell, wenn es nicht gefunkt hat. Und es funkt oft nicht.

Ich kann z.B. nicht verstehen, warum du jetzt schläfst.

Ich ertrage diese Berührungen nicht, die nur so tun, als wollten sie mir nahe sein – dieses einander streifen, aber sich nie ganz hergeben – dieses sinnlose gefickt werden ohne Gefühl.

Warum sich selbst behalten.

In meiner Vorstellung muss es möglich sein, sich gegenseitig im jeweils Anderen zu verlieren und zu finden – in Einem, zugleich. (Platon, Kugelmenschenschwachsinn)

Das klingt so, als würde ich mich der Andren wegen umbringen. Aber ich bringe mich der Nähe wegen um. Sie existiert nicht. Ganz ohne Metapher: Sie existiert nicht.

Was ich bis zum Ende meines Lebens nie verstanden habe: Die Asymmetrie zwischen durch-einen-anderen-Menschen auf die Welt kommen und von allen Anderen im eigenen Ich getrennt sein.

Ich bringe mich der Nähe wegen um. Weil es mir das tiefste Bedürfnis ist, die Welt und die Menschen zu durchdringen, mit all dem Eins zu werden, was nicht Ich ist. Einheit. Einheit ist unerreichbar.

Deshalb lese ich gerne. Ich liebe Bücher, weil sie mir das Gefühl geben, ich kann die Gedanken eines Anderen ganz und gar durchdringen. Aber dann schaue ich auf meine Hände – auf das Buch. Es ist ein Gegenstand. Und ich bin nicht das Buch.

Mein Ich – so ein Ich – das kann doch in diesem Getrennt-sein von allem anderen keine Erfüllung finden. Klar, man kann sich in sich selbst verlieben – und davon überzeugt sein, dass die ganze Welt einen liebt – glücklich sind die Narzissten und ich bewundere sie sehr.

Sei ganz du selbst.

Wenn ich ein Narzisst wäre, würde ich mir selbst vielleicht genügen. Aber ich genüge mir nicht.

Abschiedsbrief 13.04.2015

7 Gedanken zu “Abschiedsbrief 13.04.2015

  1. Florian R. schreibt:

    die öffentliche zurschaustellung deiner ungeficktheit ist widerlich. übrigens ist der blogger als phänotyp per se narzisst.

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  2. Maddin schreibt:

    Es ist halt so, dass der Mensch Nähe braucht. Sei es gesellschaftlich oder intim. Beides sehr wichtige Dinge und auch das Gefühl richtig oder falsch zu haben.

    Du bist zwar nett, aber… Dieser Satz entsteht sehr oft aus der Angst, dass man sein wahres Ich zeigen muss, wenn man mehr preis geben muss. Eigentlich verwende ich zu oft diesen Satz, obwohl ich weiß, dass es in dem Moment total falsch ist. Es ist irgendwann Gewohnheit geworden, jemanden nur noch auf eine gewisse Ebene ran zu lassen und das wird dann zum Alltag.

    Ich kann dich sehr gut verstehen!

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    1. Sind sie nicht, das ist ja der Witz. Aber das Lyrische Ich dieses Textes hat diese Vorstellung. Wann verstehst du, dass ich Schriftstellerin bin und das, was ich schreibe, nicht ich ist. Heidelberg ist eine Stadt, die mich in den letzten drei Jahres meines Studiums sehr unglücklich gemacht hat. Berlin hingegen macht mich seit drei Jahren sehr glücklich. Pointe.

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